Es fing alles ganz harmlos an.
Als mein Fluglehrer damals bei der ersten Trudeleinweisung, welche für den ersten Alleinflug notwendig ist, noch ein zwei Loopings mit mir flog, war mir klar, dass ich das irgendwann selbst einmal können (und vor allem dürfen) wollte. Ich freute mich wie verrückt und hin und wieder hatte ich auch danach die Möglichkeit zusammen mit erfahrenen Piloten den ein oder anderen lustigen Kringel an den Himmel zu malen.
Aufgrund der Coronapandemie und den damit zusammenhängenden Ausfällen der Wettbewerbe hatte ich dieses Jahr auf einmal noch ein wenig Urlaub übrig. So entschloss ich mich, mich kurzerhand für den Kunstflug Grundlehrgang des KFAO im Herbst anzumelden.
So ging es dann am Sonntag den 12. September Richtung Reinsdorf.
Nach der Begrüßung und einigen organisatorischen Hinweisen, machten sich ein Gruppe Kunstflugwilliger auf den Weg zum östlichen Platzende des Flugplatzes.
Wir waren 6 Grundschüler und 6 Weiterbilder, dazu kamen unsere 5 Fluglehrer.
Mit einer Flotte von 4 ASK21 (zwei vom Aero Club Berlin, eine aus Strausberg und eine aus Taucha) ging es dann ans Werk. Die Gruppen bildeten sich intuitiv.
Zusammen mit Harald und Niklas bildeten wir die Truppe der Grundschüler, die den „Zwergenadapter“ (sprich: Rückenlehne) brauchten. Nach einigen Versuchen stellte ich fest, dass ich sogar Stufe 3 benötigte, da irgendwie meine Arme im Rückenflug nur noch die Hälfte der ursprünglichen Länge haben. Mit dieser Konstellation sparten wir uns das lästige Ein-und Ausbauen der Lehne nach dem Pilotenwechsel in „unserem“ Flieger.
So ging es also los. Unser Fluglehrer sollte zuerst Thomas Feike sein.

Auf dem Rücken musst du drücken!
Der Windenstart war eindrucksvoll und der Anstellwinkel am langen Windenseil etwas ungewohnt. Der Höhenmesser drehte sich mühelos auf fast 1000m Auskuppelhöhe. Irre! Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Zuerst drehte ich einige Gewöhnungskreise, um mich an das für mich unbekannte Flugzeugmuster zu gewöhnen (bis auf die drei Starts vom fremden Platz im Jahre 2015 hatte ich keinerlei Flugerfahrung auf der 21). Im Querabflug meldeten wir uns in der Box an, wackelten mit den Flächen als Zeichen, dass es jetzt los ginge. Und das tat es! Schwupps waren wir im Rückenflug!
Einer unserer Friedersdorfer Fluglehrer meinte, die ersten zwei Tage würde man sich überwiegend im Rückenflug befinden und sich fragen, ob man denn zu doof zum Fliegen ist. Tja, er hatte Recht!
Die ersten Flüge waren ungewollt kurvenreich, schief und sehr unterhaltsam.
Nachdem der Rückenflug endlich geradeaus funktionierte, kamen gewollte Kurvenflüge und damit zusammenhängende Kurskorrekturen dazu. Endlich konnte man das vergurkte Einleiten korrigieren, sodass man wieder parallel zum Flugplatz flog.
Inzwischen war Uwe Tröge unser Fluglehrer. Wir verstanden uns auf Anhieb, da seine segelfliegerischen Anfänge auch in Friedersdorf lagen.
Als dann der Rückenflug saß, kam die zweite Figur dazu. Statt der halben Rolle, um das Flugzeug wieder in Normalfluglage (so normal die Fluglage nach einer halben Rolle am Anfang der Kunstflugausbildung eben ist) zu bringen, lernten wir nun den Abschwung, um zu wenden und gleichzeitig wieder Fahrt aufzunehmen. Das heißt auf dem Rücken wieder die Nase nach oben drücken und bei ungefähr 90km/h ziehen. Wichtig dabei ist wirklich zuerst die Fahrt rausnehmen, sonst kommt man Ratz Fatz bei Mach 2 raus. Zwar hat die ASK21 ein brauchbares Vne von 280km/h und im hohen Geschwindigkeitsbereich liegt das größte Lastvielfache bei +5,3g bis -3g (zum Vergleich der Puchacz: Vne 215km/h, dort beträgt das maximale Lastvielfache +4g und -1,5g), aber man muss es ja nicht unbedingt übertreiben.


Von Aufschwüngen, Abschwüngen und dem Motivationslooping
Nun kamen langsam weitere Elemente dazu und es fing an (noch mehr) Spaß zu machen.
Zwar verbrachten wir die meiste Zeit nach wie vor im Rückenflug, aber das fühlte sich inzwischen schon ganz gut an. Die nächste Figur auf der Liste war der Aufschwung, welcher quasi ein halber Loop ist, bei dem man sich im oberen Scheitelpunkt mithilfe einer halben Rolle wieder in die Normalfluglage dreht. Diese Figur ist auch bekannt als Immelmann (benannt nach dem deutschen Jagdpiloten im ersten Weltkrieg Max Immelmann). Klingt einfach, ist aber in einem Segelflugzeug gar nicht so einfach, da man oben wohldosiert das Höhenruder leicht nachlassen muss, sodass in einer akzeptablen Zeit (die ASK21 braucht recht lange, um auf dem Rücken wieder Fahrt aufzuholen) wieder genügend Geschwindigkeit anliegt, um zu rollen.
Am Ende eines Programmes, bei dem alles sehr gut klappte, bekam ich spontan von Uwe noch den Loop demonstriert. Er nannte es den Motivationslooping und ich freute mich wie bolle!

Am nächsten Tag ging es zuerst mit Loops weiter, als die dann saßen, begannen wir den ersten Teil des Grundprogramms abzufliegen, bestehend aus Treppe abwärts, Loop, Rollenkehre (quasi Abschwung) und Aufschwung. Es machte mir großen Spaß endlich einen festgelegten Ablauf zu fliegen und motivierte mich wieder alles zu geben.
Spontan stieg bei meinem letzten Flug des Tages Eberhard als Fluglehrer ein. Ich flog ihm den ersten Teil des Programms vor und schaffte es auch ohne größere Fehler. Er war so zufrieden mit meiner Leistung, dass er nach der Landung meinte, man könnte mich demnächst alleine Fliegen lassen (das sah ich zwar anders, aber ok…).
Abends wurde bei strahlendem Sonnenschein noch am Start gegrillt. Ich legte mein Abendessen wohlweislich so, dass ich danach nicht mehr fliegen musste. Zwar habe ich einen wirklich sehr robusten Magen, aber ich wollte mein Glück nicht überstrapazieren. Die Fluglehrer waren anscheinend schon abgehärtet. So wurde noch an der Wurst gekaut, als die Haube geschlossen wurde. Wir hatten sehr viel Spaß! Kurzerhand wurde ein am anderen Ende des Feldes gefundener Kürbis gegrillt (um welche Art es sich genau handelt waren wir uns ehrlich gesagt nicht ganz sicher), was zur allgemeinen Erheiterung sorgte. Ullas Kartoffelsalat war auch wieder der Hammer!


Tausend Arten einen Turn zu verkacken!
Abends erwartete uns eine längere Theorieeinheit, denn am nächsten Tag begannen die Flugschüler mit dem Turn. Das wichtigste, neben der Figur an sich, war das „Retten“:
Wenn man die Figur verkackt (und da gibt es viele Arten) und der Flieger „vom Himmel fällt“ muss man die Ruder in einer Ecke fixieren, damit die Beschläge nicht so sehr leiden.
Und am nächsten Tag ging es dann los. Am Boden ging ich noch einmal die Abläufe mit Uwe zusammen durch, alles klar! Ab in den Flieger, Start, ab in den Gegenanflug, Box anmelden, Fahrt aufholen…und nun? Wie war das denn nun nochmal genau? Am Boden war eben noch alles klar, aber im Flugzeug hatte ich ein kleines Blackout. Glücklicherweise merkte mein Fluglehrer meine Verwirrung und übernahm nach kurzer Absprache den Flieger, sodass er es noch einmal vorführen konnte. Ahhh so war das!
Danach funktionierte es erstaunlich gut. Auch wenn meine Auf- und Abwärtslinien noch nicht ganz senkrecht waren (Man muss den Einstellwinkel des Flügels mit einberechnen, wenn man zur Seite hinausschaut), die Turns kamen mithilfe des Vorspannens meist gut herum. Nur einmal musste ich „Retten“, aber das schaffte ich auch intuitiv und sicher. Der Fluglehrer war zufrieden und ich hatte eine neue Kunstflugfigur erfunden „Das betrunkene Warzenschwein“ (ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Name große Klasse ist!).

Sitzen ein Ostfriese und eine Saarländerin in einem Segelflugzeug…
Was nach einem Witz klingt, war eine eher spontane Konstellation.
Die D-76 stand flugzeugführerlos am Rand und Eddy kam auf die Idee, ja auch mal mich zu quälen (oder sich von mir quälen zu lassen, je nachdem wie man es betrachtet). So führte ich ihm meine Turns in alle möglichen Richtungen vor und trennte die Figuren mit mehr oder weniger schönen Rollen (Rollen: klingt einfach, ist aber mein Endgegner, das richtige Timing und die korrekte Dosierung der Ruder ist gar nicht so einfach). Beim nächsten Flug gab es nochmal eine Einweisung in diverse Rettungsmanöver. Ich drücke es mal so aus: Es gibt nun ein sehr schönes Video auf dem Flugschülerin Sally beim „Retten“ aus dem versauten Rückenflug „Wäääääääääh!“ schreit und Fluglehrer Eddy ebenfalls „Wääääääääh!“ brüllt. Wir hatten ganz großen Spaß!
Leider war dieser Flugtag nicht sonderlich lang, da es gegen Mittag bereits anfing zu Regnen.

Der erste Alleinflug!
Es folgte der Freitag. Prinzipiell saßen alle Figuren des Grundprogrammes und dies sollte heute in zusammenhängender Form geübt werden. Nebenbei startete der Blanik per Flugzeugschlepp für Trudeleinweisungen, von welchen ich freigesprochen wurde, da ich mir regelmäßig in Friedersdorf im Puchacz meine Auffrischung organisierte). Beim zweiten Start stieg wieder Eddy zu, um uns zu prüfen und damit auch den Fluglehreranwärter Uwe, der überwiegend unsere Gruppe betreute.
Ich flog ihm das gesamte Programm vor und hatte ganz großen Spaß!
Nach der Landung gab es noch ein paar kleine Tipps und nachdem die D-76 (was schon davor meine Glückszahl gewesen ist) wieder an den Start gebracht wurde, schaffte es mein Fluglehrer mich ziemlich zu schocken. Er nahm nämlich den hinteren Fallschirm aus der ASK21 und fixierte die Gurte.
„So Sally, jetzt machst du das Ganze mal allein!“. Augenblicklich entgleiste mein Gesicht und ich sah ihn wohl sehr perplex an. War er sich da wirklich ganz sicher? Ich meine, ich bin ja froh, dass ich inzwischen so halbwegs weiß was ich mache, aber alleine Fliegen? Alleine KUNSTFLUG fliegen?
Er versicherte mir, dass er mich nicht hochschicken würde, ohne dass er sich nicht 100%ig sicher wäre, dass ich das hinbekommen würde. Ok…alles klar…
(Das ich mich sehr oft ganz schön selbst unterschätze ist eine Tatsache)
Gut, los geht’s! Der einsitzige Windenstart bescherte mir eine beachtliche Auskuppelhöhe von 1200m und ich drehte in den Querabflug ein. Noch einmal Haubenverriegelung prüfen, G-Messer nullen (bzw. einsen), Gurte nachziehen…Attacke! Im Gegenanflug meldete ich den Einflug in die Box und – nachdem ich den Funkknopf losgelassen hatte – dass ich endgültig einen Riesenknall haben musste. Ganz ehrlich, vor meinem ersten Alleinflug in der Ausbildung hatte ich weniger Angst, als vor meinem ersten Kunstflug.
Los geht’s!
Treppe abwärts, 180km/h, Figurentrennung und auf geht es in den Loop. Oben ein wenig öffnen, ja das klappt doch schon ganz gut. Erste Figur: Check! Ich schaffte fast es mit der Einleitgeschwindigkeit für die Rollenkehre herauszukommen, halbe Rolle, drücken, ziehen und sanft abfangen. Das fühlte sich richtig gut an! Aus den anfänglichen „Ach du scheiße!“ Selbstgesprächen wurden nun „Juhu“ Rufe (auch hier gibt es ein lustiges Video). Alles klar, als nächstes folgt der Aufschwung. Zwar musste ich erst wieder etwas Fahrt für die Einleitgeschwindigkeit aufholen, aber kurze Zeit später ging es dann in den halben Loop. Oben drückte ich wieder ein wenig zu früh und es dauerte recht lange, bis die Fahrt zur halben Rolle anlag, aber auch diese gelang ohne Probleme. Erneut beschleunigen, 190km/h, vorspannen und senkrecht nach oben für den Turn rechts. Zwar war er wieder etwas zu flach, aber die Fächerung kam schön herum. Beim zweiten wollte ich es besser machen.
Aber zuerst kam die erste Rolle – links herum. 150km/h und los! Dieses Mal rollte es im wahrsten Sinne des Wortes wie am Schnürchen! Ohne Kursfehler steuerte ich die ASK21 einmal um die Längsachse. Jetzt folgte der letzte Turn des Programms. Beschleunigen, Vorspannen und ziehen! Jetzt korrigierte ich in der Senkrechten bewusst den Anstellwinkel. Auch dieses Mal kam die Fächerung schön herum und in der Abwärtslinie drückte ich ein wenig, um auch hier eine schöne Senkrechte nach unten zu zeigen. Abfangen, geilo! Als nächstes war die Rolle rechts herum an der Reihe. Zwar hatte ich in der ersten Hälfte einen kleinen Kursfehler, aber in der zweiten korrigierte ich auch diesen. Yippie!
Noch zwei Steilkreise und fertig ist das Programm!
Nachdem ich wieder Kurs Richtung Reinsdorf genommen hatte (durch den Wind, wurde ich während des Programms ziemlich versetzt), bemerkte ich, dass ich noch 600m Höhe hatte. Beseelt vom Kunstflug und hochmotiviert beschleunigte ich wieder und hing noch einen Loop ran. Den hatte ich mir verdient!
Als ich gelandet war, sprang ich glücklich und mehr als stolz aus dem Flugzeug. Nach anfänglicher Skepsis, klappte es richtig gut und noch wichtiger: Es fühlte sich gut und vor allem sicher an!
Nachdem ich mit dem wohl breitesten Grinsen die tapfere D-76 wieder zum Start gebracht hatte, beglückwünschte mich Eddy zur bestandenen Prüfung. Wie jetzt?! Da es mein 20. Kunstflug war und ich im Solo mit doch recht guten Ergebnissen das gesamte Programm (inklusive Loop) abgeflogen hatte, hatte ich nun auch meine Berechtigung. So schnell kann es gehen! Das Grinsen wurde noch breiter und ich hätte die ganze Welt umarmen können.

Am nächsten Tag ging es dann fleißig weiter. Nach der Prüfung ist vor dem Bronzeabzeichen!
Als neue Figuren kamen die kubanische Acht, der schräge Humpty, der gedrückte Humpty und das Viertel-Kleeblatt dazu. Zuerst demonstrierte mir Eddy die Figuren, dann wechselten die Fluglehrer und Uwe gab mir noch ein paar Tipps. Die Figuren saßen, aber es reichte an diesem Tag nur für zwei Starts.
Abends stand die Mitgliederhauptversammlung des KFAO an und danach wurde noch ausgiebig gefeiert! Am nächsten Tag sollte es regnen, sodass es auch etwas später wurde.
Leider fehlte mir dadurch auch die Möglichkeit das Bronzeprogramm alleine zu fliegen, aber nun habe ich eine Motivation auch beim nächsten Lehrgang teilzunehmen.
Fazit:

Es war eine unglaublich tolle Erfahrung.
Nicht nur, dass es sehr viel an Sicherheit bringt, wenn man den Flieger in wirklich jeder Fluglage beherrscht, es macht auch richtig viel Spaß! Für mich persönlich war es sehr wichtig und quasi Eigentherapie, um das fliegerische Selbstbewusstsein zu erhöhen.
Waren vorher Trudelübungen (die ich aufgrund meines „Problemchens“ regelmäßig mit dem Fluglehrer meines Vertrauens machte) immer mit großer Anspannungen verbunden, bin ich jetzt tiefenentspannt und sehe neuen Herausforderungen mit Motivation und Neugierde entgegen.
Auch wenn man nicht den ganz großen Spaß am Kunstflug hat, kann es ich jedem ans Herz legen sich auf diese Art weiterzubilden.
Vielen Dank an en KFAO, den Aero Club Berlin, sowie unsere Fluglehrer und die Windenfahrer!
Und danach?
Zwar stand ich die darauffolgenden Wochenenden überwiegend in der Werkstatt, um die Winterwartung der „VS“ durchzuführen, aber ich nahm mir fest vor dieses Jahr noch meine Kunstflugberechtigung auszuprobieren.
Irgendwann bot es sich dann an einem Samstag an. Ich bat einen unserer heimischen Fluglehrer (der, der mich damals mit den Loops überhaupt auf die Idee brachte…) als Safety mitzukommen und ließ mich mit der Wilga bis kurz unter unseren Luftraumdeckel schleppen. So probierte ich erstmals den Kunstflug eigenständig im Puchacz aus. Loop: geht klar! Turn: na Logo! Polnische Wende: Hui! (da bekam ich sogar noch ein zwei Tipps)…Läuft!
Spontan kam uns ein zwei Wochenenden später Uwe besuchen und versprach noch ein paar feine Figürchen im Puchacz. Da ein Vorstandsbeschluss besagt, dass bei uns nur positive Figuren im Puchacz erlaubt sind, war die Auswahl zwar etwas eingeschränkt, aber auf gar keinen Fall langweilig.
So zeigte Uwe die gerissene kubanische Acht, sowie den gezogenen Humpty (meine neue persönliche Lieblingsfigur). Zwar war dieser Samstag mit fünf Flugzeugschlepps bis nach oben nicht günstig, aber auf jeden Fall sehr lehrreich und spaßig!