Unterwegs auf Strecke

Fast Fünfhundert – Die Geschichte einer Außenlandung

Die meisten Geschichten handeln vom Erfolg…

SPOILERALARM:

Diese nicht. Sie handelt vom Scheitern. Und wie man aus einem verlorenen Kampf lernen kann.
Zu allererst: Ich ärgere mich! Ja, ich bin echt schlecht gelaunt! Der letzte verdammte Thermikbart hatte gefehlt für einen glorreichen 500er mit überwiegend Blauthermik (und ich hasse Blauthermik!). Ein Bart hat gefehlt, dann wäre ich nicht an der letzten Wende 20km vorm Ziel neben einem Kuhhof gelandet.

Man muss dazu sagen, dass ich eigentlich gar keine Lust hatte an diesem Tag zu fliegen.
Wir hatten Besuch aus dem Saarland und es wurde doch am Abend davor sehr spät.
Ein wenig verschlafen und maximal demotiviert fuhren dann in aller Herrgottsfrühe Sandra und Daniel zurück in die Heimat und wir hängten den Wohnwagen für ein Flugwochenende in Reinsdorf an (wie der ein oder andere mitbekommen hat, findet gerade in Friedersdorf leider kein Flugbetrieb statt… so ist Team Sally temporär nach Reinsdorf umgezogen).

Eigentlich hatte ich (aufgrund der angesagten Blauthermik) 300-400km geplant. Stephan motivierte mich jedoch beim Aufrüsten doch einfach 500km zu probieren. Ich muss sagen, dass mir Blauthermik absolut nicht liegt und nach der ersten Strecke des Jahres, welche nach glorreichen 34km im Blauen als Steckschuss auf dem berühmten Kartoffelacker in Dahme endete, doch maximal demotiviert war.
Egal! Augen zu und durch und mal schauen, wie weit ich kommen würde. Der Plan war nach Südosten bis hinter Klix nach Reichenbach (O-Ton Gille: „Ohh nääää! Nicht Reichenbach!!!“) dann auf der polnischen Oderseite nach Nordosten (dort sollten nach den gängigen Vorhersagediensten ein paar Wolken mit dem besten Wetter stehen), nach Zahna und dann kurzer Endanflug zurück. Falls man auf dem Weg nach Zahna feststellen würde, dass es nicht mehr geht, könnte man auch direkt nach Reinsdorf abkürzen. So zumindest in der Theorie (Vor dem Flug hat sich der Plan echt gut angehört! Und war er ja prinzipiell auch).

Die Profis starteten vor mir. Ich stand relativ entspannt (Es war noch mega früh. An Windenbeginn um 0900 wäre in Friedersdorf gar nicht zu denken) im Grid. Nach kurzer Suche nach einem abgefallenen Vorseil ging es für mich um 10:16 Uhr local los. Nach einigem Suchen fand ich an der Waldkerbe im Westen des Flugplatzes einen brauchbaren Bart. In knapp über 1000m AGL flog ich aus Reinsdorf nach Südosten los. Der Wald trug einigermaßen und ich kam den Umständen entsprechend (480m AGL den zweiten Bart des Tages auskämpfen mit Blick auf meinen Kartoffelacker von der letzten Blauthermik-Aktion) voran. In Blauthermik losfliegen am Morgen ist bei mir eine ganz große Kopfsache… bei Flugplatzhopping (d.h. im Endanflugbereich des zum Kurs nächstgelegenen Flugplatzes) bin ich immer viel entspannter. Der erste zu erreichende Flugplatz war Finsterwalde. Ich hatte knappe 300m AGL Endanflughöhe und in Bahnverlängerung stand über der Grube der erste Fetzen, der annäherungsweise an eine Wolke erinnern konnte. Ich kündigte mich bereits im Funk an, damit die Kollegen schon einmal wussten, wer sich gleich in der Platzrunde aufhalten würde. Locker erklärte ich, dass ich eventuell landen müsste, wenn der Fetzen nicht ziehen würde.
Ich flog die Wolke an und nach ein zwei Suchkreisen fand ich das erste brauchbare Steigen des Tages mit 1-1,5m/s. Im Funk hörte ich nur „Da haste aber nochmal Glück gehabt Mädel!“. In 1100m AGL verabschiedete ich mich und setzte meine Reise nach Südosten fort. Gleiches Spiel in Schwarzheide. Nach dem Ankündigen im Funk und der Frage, ob die Sprungzone aktiv sei, peilte ich das kleine Solarfeld direkt am Flugplatz an. Dieser Bart brachte mich auf 1000m über Grund und während ich kreiste entdeckte ich ein paar Kilometer weiter den Reinsdorfer Duo mit David. Schnell war er auf der Quatschfrequenz gefunden. Zwar zeigten sich inzwischen ein paar Wolken, aber bei Klix war es damit auch erst einmal wieder vorbei. So kämpften wir uns dort noch einmal von 600 auf 1100m und teilten uns wieder auf.

Kurz vor Klix. Die ersten Wolken.

Davids Wende war Rothenburg, ich musste noch ein wenig weiter südlich nach Reichenbach… im Blauen. Abbrechen war keine Option und so stürzte ich mich todesmutig Richtung Wende. Und es ging… ganz beschissen. Am schönen Städtchen Reichenbach standen einige Windräder, die ich anpeilte und konnte so meinen Flug von 500 auf 750m verlängern. Da das zaghafte Steigen nun auch verschwand entschied ich mich einfach weiterzufliegen. Ab durch die Wende und dann wieder nach Norden. Die Höhe schwand und ich befasste mich schon einmal mit der Landesituation. Sicher ist sicher, aber kampflos würde ich mich nicht geschlagen geben. Bei 490m flog ich eine Waldkante ab und vorsichtig hob sich eine Fläche. Das Vario schlug auch sachte aus und ich kreiste links herum ein. Ein halber Meter, zerrupft, aber brauchbar und ich entschied mich erst einmal drin zu bleiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich wieder auf 900m und ich setzte meine Reise durchs Blaue fort und es ging… gar nix. Ich erkannte, dass Rothenburg genau auf Kurs lag und mein Endanflugrechner meinte, dass es gerade noch reichen könnte. Na immerhin. Ich wählte einen leichten Schlenker über ein Solarfeld und konnte mich von 650m auf 1100m hochkreisen. Endlich konnte ich wieder die Wolken (Die Deutsch-Polnische Grenze war auch die Wettergrenze. Über Polen sah es erstaunlich gut aus) erreichen und peilte die erste fluffige direkt am Flugplatz an. An der Südseite der Wolke kreiste ich ein, konnte aber das Steigen nicht richtig zentrieren. Nach ein paar Kreisen flog ich entnervt weiter, aber keine 50m später gab es einen gewaltigen Rumms von unten und ich stieß mir erst einmal den Kopf. Vario auf Anschlag und ich machte fast eine Rolle. Ich kreiste entsprechend ein. Mit 3m/s ging es nach bester Fahrstuhlmanier nach oben und über die 1600m AGL Arbeitshöhe freute ich mich sehr.

Ich freue mich über die Wolken über Polen

Nach dem anstrengenden Gekämpfte im Blauen sah es nun wieder nach Spaß aus und ich konnte wieder einige km/h gut machen. Jede Wolke die ziehen sollte, zog auch mit über 2m/s und ich konnte auch ein paar Kilometer unter Wolkenstraßen hinter mich bringen. Als ich einige Zeit später beim Kreisen hinaussah erkannte ich, dass ich schon beim Jesus war. Kurz vor der Wende fing es aber leider an wieder abzutrocknen und die Steigwerte gingen ein wenig zurück.

Endlich „zum Jesus fliegen“ ist bei uns in Friedersdorf ein geflügelter Begriff. Grüße an Michael.
Die Statue steht in Świebodzin

Auf halbem Weg zurück nach Deutschland ging es noch einmal auf 1700m und Gille gab im Funk bekannt, dass er nun an der letzten Wolke war und wieder in Blaue losflog. Einige Zeit später (ich kreiste über Eisenhüttenstadt und die Wolken auf Kurs konnte ich an einer Hand abzählen) fragte ich im Funk an, wie es denn im Blauen ginge. Er antwortete, dass er bislang nur abgeglitten sei, weil nix ging.

Blick in Kursrichtung bei Hütte

Das waren ja tolle Aussichten. Ich hangelte mich von Fetzen zu Fetzen, aber keiner brachte mehr als 100 Höhenmeter. Ich hatte also keine andere Wahl, als in 1200m wieder ins Blaue zu tauchen. Ich flog stumpf genau auf Kurs und hoffte, dass es einfach noch irgendwo gehen würde. Ich flog und flog und stolperte auf einmal über 1,5m/s Steigen. Zwar hatte ich noch 1250m, aber ich nahm das Steigen dankbar bis 1500m mit. Zehn Kilometer weiter das gleiche Spiel. Es klappte erstaunlich gut im Blauen und ich peilte das Tropical Islands an, welches genau auf Kurs lag. Bekannterweise geht beim berühmten Schildkrötenpanzer immer was. Aber erstmal ging es abwärts. Und wie es abwärts ging! Vom letzten Blauthermikpups bin ich in 1400m losgeflogen und schon war ich wieder im Dreistelligen Bereich. Es ging sensationell nach unten und noch immer hatte ich ein gutes Stück bis zur Cargo Lifter Halle. Ich wägte meine Optionen ab. Im Optimalfall geht es wo es brutal runter geht auch wieder brutal nach oben. Falls dies nicht der Fall sein sollte, könnte ich noch gerade so über das Waldstück gleiten (wenn es nicht weiterhin mit 4m/s sinken würde… wenn doch, hätte ich ein Problem). Es ging erstmal weiter nach unten und einen Suchkreis verkniff ich mir. So flog ich entnervt weiter und an der südwestlichen Ecke des Parkplatzes, merkte ich das Hinternvario, bevor das Instrument ausschlug. Ich kreiste in Richtung der sich hebenden Fläche ein und es ging kontinuierlich mit 2m/s nach oben. Hurra! Ich machte 1100 Höhenmeter gut und in 1700m entschied ich mich endgültig die Aufgabe zu probieren. Komme was wolle! (ich hätte auch auf direktem Weg nach Reinsdorf fliegen können).

Motiviert durch die letzten Bärte im Blauen behielt ich meine Taktik bei und flog weiter auf der Kurslinie. Es ging über die Wälder und diese trugen am Abend gerade bei Blauthermik doch ganz gut. Einige Kilometer machte ich nochmal 200m gut, aber der Bart war bei weitem nicht so gut wie der beim Tropical Islands. Ich hielt weiter Kurs, mit der Option im Alten Lager zu landen. Es ging auch dieses Mal wieder sensationell abwärts, aber am Ende des Waldes kämpfte ich mich nochmal auf 1400m (aber es war eindeutig zu spüren, dass die Thermik nicht mehr so hoch gehen würde). Der Endanflugrechner meinte, ich bräuchte noch 500m um eine Chance zu haben. Das sollte doch zu machen sein, zumal es bis jetzt ja auch immer irgendwie noch ging. Ich flog weiter und nahm das nächste Steigen südöstlich vom Alten Lager mit. Allerdings fand ich den Bart nicht richtig und mit durchschnittlich 0,8m/s war in 1200m erstmal Schluss. Ich dachte mir nichts dabei, hatte ich die vorherigen Male doch auch Glück gehabt und flog weiter in der Hoffnung den ersehnten Endanflugbart zu treffen. So hielt ich Kurs auf die letzte Wende bei Zahna. Was soll ich sagen? Es ging mal wieder ordentlich nach unten. Mit 3-4m/s Sinken, konnte ich meinem Höhenmesser zuschauen, wie sich die Zeiger rückwärts drehten. Ich redete mir wieder ein, dass auf starkes Sinken auch wieder Steigen folgen würde und flog einfach weiter (viel mehr blieb mir auch nicht übrig). Ich steuerte eine Waldkante an und es zuppelte auch ein wenig, aber mehr als ein zwei Suchkreise, waren nicht drin. 800m. Nachdem ich weitergeflogen bin, ging es noch mehr nach unten 600m. Langsam wurde es wirklich blöd und ich steuerte die Windräder am Dorf an. Es zuppelte, aber hier lohnte sich nicht mal ein Suchkreis. Nach dem Zuppeln hatte ich meine bekannten 3m/s Sinken wieder und meine letzte Option war, einmal die Häuser abzufliegen. Aber es half Alles nichts. Zum Glück gab es ausreichend Felder und ich suchte mir eines genau in Windrichtung aus. Ich rollte ziemlich lange, was für die Bodenqualität sprach (im Gegensatz zum letzten Kartoffelacker, wo ich innerhalb von 10 Metern stand).

Dumm gelaufen, aber toller Acker


Hart gekämpft und doch verloren „So eine Scheiße, aber wir sind erstaunlich weit gekommen“ sprach ich zu meiner tapferen Vicky und schickte Steffen den Standort. Um die Wartezeit zu verkürzen, suchte ich beim angrenzenden Kuhhof einen netten Bauern, der Vicky mithilfe eines Traktors schonmal zum Feldweg ziehen würde. Kurze Zeit später waren auch Steffen und Hans (der sich freundlicherweise dazu bereit erklärt hatte, das Abrüsten zu unterstützen) da.

Ackertaxi
Vicky steht Abrüstbereit am Feldrand und wartet auf den Anhänger.
Leute habt immer ein Schleppseil dabei!


Gegen 20 Uhr waren wir wieder in Reinsdorf.J
a, ich ärgere mich! Habe ich das schon erwähnt? Worte können nicht beschreiben, wie sehr ich mich ärgere. Das wäre es ja wirklich gewesen.
Und natürlich rekapituliere ich die letzten 10 Minuten des Fluges und überlege, was ich hätte anders machen können, damit ich es vielleicht noch geschafft hätte. Vielleicht hätte das erste Zuppeln ja noch ein wenig Steigen ausgespuckt, wenn ich hartnäckiger gewesen wäre. Vielleicht hätte ich eine andere Route wählen sollen.
Vielleicht, hätte hätte Fahrradkette.
Die demotivierte Sally ist fast soweit zu sagen, dass ich mir den Flug auch hätte sparen können, weil ich ja sowieso am Ende gescheitert bin.
Die optimistische Sally redet sich ein, dass es ja trotzdem Spaß gemacht hat und ich es immerhin probiert und sicher auch etwas gelernt habe.
Ja, Fliegen ist eben eine richtige Kopfsache auch nach dem Flug.
Ich ärgere mich und das ist ok. Ich habe nicht aufgegeben und den Flug durchgezogen auch wenn der Anfang echt bescheiden war. Und darauf kann ich trotzdem stolz sein!
Vielen Dank an die Freunde aus Reinsdorf für die Startmöglichkeit und dass ihr uns Exil-Friedersdorfer so freundlich aufnehmt.

https://www.weglide.org/flight/265948

2 Gedanken zu „Fast Fünfhundert – Die Geschichte einer Außenlandung“

  1. Hallo Sally, warum ist in Friedersdorf nichts los. Ansonsten schön Deine Beschreibung vom versuchten 500-er Dreieck. Kommt davon, weil Du mich nicht als Trimmgewicht von rd. 90 Kg mitgenommen hast. Zu meiner aktiven Zeit im Jugendalter waren es nur 70 Kg. Aber da hatten wir für Leichhtgewichtige im Baby solche Rundeisen als Trimmgewichte für die ganz Leichten.

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